The Lamb Lies Down On Broadway

Livestream: Shrine Auditorium; Los Angeles; 1/24/1975; 126 Min.; Pop-Up; Registrierung erforderlich

Lass die Finger aus meinem Auge. Beim Schreiben werfe ich gern einen Blick auf die Schmetterlinge unter Glas, die sich rings herum an allen Wänden befinden. Die Menschen meiner Erinnerung sind an Geschehnisse gekettet, die ich mir nicht mehr recht ins Gedächtnis zurückrufen kann; aber ich werde einen herauszerren, um ihn zerbrechen, sich auflösen und eine andere Art von Leben nähren zu sehen. Der, um den es geht, ist vollkommen bio-degradierbares Material und ist als „Rael" kategorisiert. Rael hasst mich, ich mag Rael - ja sogar Strauße haben Gefühle. Aber unsere Beziehung ist etwas mit dem wir beide zu leben lernen. Rael mag gerne spaßig sein, ich habe gern einen guten Reim, aber ihr werdet mich nicht mehr direkt sehen-er hasst es, mich um sich zu haben. Also, wenn die Geschichte nicht auf eigenen Füßen steht, kann ich zeigen worum es geht-ihr versteht? (Der Reim ist geplant, seht Ihr, Dummchen.)

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Das Lamm legt sich auf dem Broadway nieder (1)

 

Der zitternde Zeiger springt auf rot. New York kriecht aus dem Bett.

 

Manhatten am frühen Morgen,
der Wind bläst vom Ozean her über's Land.

 

Die mißmutigen Gäste werden gebeten, die Wärme des 24-Stunden-Kinos zu verlassen. Sie sind über Filmen eingeschlafen, von denen andere nur geträumt hätten.

 

Der Filmpalast schließt seine Pforten,
die Nachtgucker hatten ihren Spaß
beim Nickerchen während der Nachtvorstellung.
Sie hat immer das gleiche Ende: Zeit zum Aufbruch.
Raus hier!
Es scheint als ob ihre Träume sie nicht losließen.

 

Die Statisten stören den schlafenden Broadway auf. GEHEN links, NICHT GEHEN rechts - auf dem Bradway erscheinen die möglichen Richtungen nicht so glänzend. Autogeister bestimmen das Tempo für die frühen mobilen Wettrennen des Taxifahrers.

 

Etwas bewegt sich dort im Dunst über dem Gehweg.
Und das Lamm legt sich auf dem Broadway nieder.

Den Nachtschwärmern dröhnt der Kopf.
Die Drogerie öffnet ihre Rollgitter.
Die metallene Bewegung zerreißt das Hirn,
aber die Tankstelle kann den Nachdurst löschen.
Eine Radaufhängung bricht auf der halbfertigen Straße.
Das Auge des LKW-Fahrers erkennt: überladen!

 

 

Genug davon - unser Held kommt die U-Bahn-Rolltreppe herauf ans Tageslicht. Unter seiner Lederjacke hält er ein Spray-Gewehr, das geade die Nachricht R -A -E - L in Großbuchstaben auf der Tunnelwand hinterlassen hat. Für Euch mag das keine Bedeutung haben, aber für Rael ist es ein Schritt weiter auf dem Weg, der dahin führt, „sich einen Namen zu machen". Wenn man noch nicht einmal ein reinrassiger Puertorikaner ist, ist das Leben hart, und die Harten überleben.

 

Und am Ausgang der U-Bahn Station
tritt Rael - imperiales Sprühdosen - Kid
in's Tageslicht, seine „Waffe" versteckt.

 

Mit gelegentlichen Blicken über die nasse Straße prüft er die Bewegung des *Dampfes, um mögliche Hindernisse rechtzeitig zu erkennen. Er kann keine entdecken und strolcht den Fußweg entlang, an einem Drugstore vorbei, dessen eisernes Gitter gerade entfernt wird, um das Zahnpastalächeln der Reklame zu enthüllen, vorbei an den nächtlichen Damen, und vorbei an dem Patrouillepolizisten Frank Leonowitch (48, verheiratet, zwei Kinder), der im Eingang des Perückengeschäfts steht. Polizist Leonowitch sieht Rael mit so ziemlich dem gleichen Blick an, mit dem ihn andere Polizisten ansehen, und Rael versteckt nur so eben, dass er etwas versteckt. Inzwischen legt sich in dem Dampf ein Lamm nieder. Dieses Lamm hat absolut nichts mit Rael zu tun, oder mit irgendeinem anderen Lamm - es legt sich einfach nur auf dem Broadway nieder.

*Dampf aus den Lüftungsschächten der New Yorker U-Bahnen.

 

Und das Lamm legt sich auf dem Broadway nieder.

Das Lamm scheint hier nicht so richtig hin zu passen.
Dennoch findet die Broadway-Szenerie irgendwie ihre Mitte
in seinem Antlitz.
Irgendwie liegt es da
und bringt eine ungeheu're Reglosigkeit in die Luft.
Obwohl das künstliche Licht die Nacht erstrahlen lässt,
hinterlässt es keine unschuldigen Opfer
in der weißen Umhüllung des blassen Neonscheins.
Rael - imperiales Sprühdosen-Kid
wischt über seine „Kanone" - ganz vergessend was er zuvor noch getan hat.
Und das Lamm legt sich auf dem Broadway nieder.

 

 

*

 Suzanne (2) – erschöpft nach all der Arbeit denkt: Geld – Süßer – hab' ich dich erwischt im Neonlicht.

Der samtene Handschuh des Taxifahrers lässt die Hupe dröhnen.

Und der Dreikäsehoch spuckt seine Verachtung  aus.

Wunderweiber (3), zieht die Blende zu!

Glotzt mich nicht an! Mit euch hab´ ich nichts am Hut .

 

 

 Roy Lichtenstein; In The Car 1963; s/w-Verfremdet


Ich bin RAEL!

Irgendetwas in mir nimmt gerade seinen Anfang.
Gott weiß, was ich verbrochen haben soll.
Und das Lamm legt sich auf den Broadway nieder.

Sie sagen die Lichter seien immer strahlend am Broadway.
Sie sagen dort liegt immer Magie in der Luft.(4)



 

Anmerkungen:

(1)  Im Begleittext wird erwähnt, dass Dampf aus aus den Lüftungsschächten der U-Bahn aufsteigt. Das Lamm kann als eine Assoziation dieses Dampfes gesehen werden.

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(2) Suzanne von Leonhard Cohen; Gedicht (1966); Song (1967); Suzanne lyrics; deutsche Übersetzung  

The Story Of Suzanne BBC Radio 1998; Aufzeichnungsprotokoll (engl.)

Der Name Suzanne stammt aus dem elamischen (Iran), hebräisch "Shoshana" und bedeutet in beiden Sprachen Lilie.

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(3) Wonderwoman: Eine der ältesten Superhelden, die älteste Superheldin (ab 1941) bei DC-Comics.

Auszug aus Wikipedia: Ihr Schöpfer William Moulton Marston sah in Wonder Woman sowohl den Ausdruck unbewusster männlicher Wünsche, von einer Frau gebunden und gezähmt zu werden, als auch ein Vorbild für Jugendliche, die seiner Meinung nach durch den Comic die Unterwerfung unter eine liebende Autorität schätzen und somit ein friedliches Miteinander lernen könnten: „Nur wenn in zwischenmenschlichen Beziehungen die Kontrolle des Selbst durch Andere angenehmer als das ungebundene Geltendmachen des Selbsts ist, können wir eine stabile, friedvolle Gesellschaft erhoffen. [...] Das Geben an Andere, von ihnen kontrolliert zu werden, sich anderen Menschen zu fügen, kann ohne ein starkes erotisches Element umöglich erfreulich sein."

Na ja,dieses Statement stammt aus den 40er Jahren. Kein Kommentar!


(4) Textzeilen aus dem Song „ On Broadway" von George Benson (Difters); On Broadway lyrics

 

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"The Lamb Lies Down On Broadway" Ausschnitte live in Bern 1975 (Amateurvideo):

 

  

 

Music: Genesis; Lyrics; Liner Notes: Peter Gabriel

Deutsche Übersetzung:

Lyrics: Ute Kretzschmar; Begleittext: Petra Gehrmann